1990er-Jahre: Gründung, erste Erweiterung, Schriften-Reihe

„L’Homme. Z. F. G.“ erschien im Dezember 1990 als erste deutschsprachige Zeitschrift für Feministische Geschichtswissenschaft.

„Gründungswelle“ von neuen Zeitschriften

Kurz zuvor waren bereits im englischen Sprachraum die ersten Fachzeitschriften zur Frauen- und Geschlechtergeschichte erschienen (1989 „Journal of Women’s History“ und „Gender & History“); ähnliche Zeitschriftenprojekte wurden in den folgenden Jahren in anderen Ländern entwickelt (1992 „Metis. Zeitschrift für historische Frauenforschung und feministische Studien“ und „Women’s History Review“, 1994 „European Journal of Women’s Studies“ und „Arenal. Revista de Historia de las Mujeres“, 1995 „Clio. Histoire, Femme et Sociétés“ usw.).

Die Initiative zur Gründung von „L’Homme“ kam in den späten 1980er-Jahren aus der „Arbeitsgruppe Frauengeschichte“ am Institut für Geschichte der Universität Wien, insbesondere von der 2011 verstorbenen Historikerin Edith Saurer. Das Gründungsteam bestand aus acht österreichischen Wissenschaftlerinnen aus Wien, Salzburg und Innsbruck; neben Historikerinnen waren das auch eine Philosophin und eine Politikwissenschaftlerin. Sitz der Redaktion ist seit Beginn am Institut für Geschichte der Universität Wien.

Der Titel

Schon zur Gründungszeit war der Titel der Zeitschrift viel diskutiert. „Die Verbindung von L’Homme, Mann, Mensch mit Feminismus war ein ironischer und exakter Verweis auf die Notwendigkeit einer Korrektur von Theorie und Praxis nicht nur der Geschichtswissenschaft“, sagte Edith Saurer in ihrer Rede anlässlich des 20-jährigen Jubiläums der Zeitschrift. Der Name, so steht es im allerersten Editorial, machte „das Postulat der Frauen- und Geschlechtergeschichte deutlich lesbar: nämlich die Geschichte neu zu schreiben“. Und weiter heißt es hier: „Kein Zweifel, die Gleichsetzung von Mensch und Mann in der Semantik und ihre generelle Verankerung in allen gesellschaftlichen Bereichen […] ist einem Erosionsprozeß ausgesetzt.“ (S. 4)

Auch das vom Künstler Erwin Thorn gestaltete Logo am Cover verdeutlicht den Anspruch, Theorie und Praxis der Geschichtswissenschaft einer Korrektur zu unterziehen: Es zeigt Leonardo da Vincis „homo quadratus“ – allerdings ohne Mensch/Mann, der das Innere der Welt zusammenhält.

Weiterentwicklung der Disziplin, innovatives Potenzial

Im ersten Editorial wurde das Profil der Zeitschrift dargelegt: „Der Schritt in die neue Zeitschrift artikuliert den Wunsch nach einer Diskussion, die über die Grenzen Österreichs hinausreicht. Er drückt das Bedürfnis nach Weiterentwicklung einer Disziplin aus, die nicht nur den emanzipatorischen Ansätzen der frühen siebziger Jahre verbunden ist, sondern auch auf einem, nicht zuletzt durch die wissenschaftliche Außenseiterinnenposition bestimmten, innovativen Potenzial beruht.“ (S. 3)

Schwerpunkte der 1990er-Jahre

„Religion“ war das Thema des ersten, „Ernährung“ jenes des zweiten Heftes – die Nähe zu anthropologischen Themen wurde schon im ersten Editorial als eines der Anliegen der Zeitschrift ausgewiesen. Aufgegriffen wurden zunächst eher „klassische“ Themen der frühen „Frauengeschichte“ wie „Fürsorge“, „Heimarbeit“ oder „Unzucht“, aber auch jeweils aktuelle Themenfelder der Frauen- und Geschlechtergeschichte wie „Krieg“, „Körper“, „Gewalt“; dazwischen gab es Ausgaben zu besonders innovativen Forschungsthemen wie „Glück“, „Der Freundin?“ oder „Handel“ und Zeitschriftenbände, die sich theoretischen Debatten oder Konzepten der Disziplin widmeten („Interdisziplinarität“, „Tausendundeine Geschichten aus Österreich“).

Erweiterung nach Deutschland und in die Schweiz

1995 wurden erstmals deutsche und Schweizer Wissenschaftlerinnen in den Herausgeberinnen-Kreis aufgenommen: Susanna Burghartz, Ute Gerhard, Karin Hausen, Regina Schulte und Claudia Ulbrich. Im Laufe der Zeit wurde das Team auch um Herausgeberinnen aus Bulgarien, Tschechien, Polen, den Niederlanden, Frankreich und Norwegen erweitert.

Buchreihe „L’Homme Schriften“

Die Zeitschrift wird seit 1995 durch eine eigene Buchreihe, die „L‘Homme Schriften“, ergänzt. In der Schriften-Reihe, die aktuell 25 Bände umfasst (Stand Frühjahr 2019), werden Monografien und Sammelbände publiziert, die neue Forschungsergebnisse der feministischen Geschichtswissenschaft präsentieren.

Die Themen erstrecken sich dabei von Partisaninnen im jugoslawischen Widerstand über ehelose Frauen und Männer im Bürgertum des 19. Jahrhunderts oder eine Studie über die „politische Lebensgemeinschaft“ der deutschen Frauenrechtlerinnen Helene Lange und Gertrude Bäumer bis zu Missionarinnen in Südafrika nach 1945. Die Sammelbände vereinen Aufsätze zu „Briefkulturen und ihr Geschlecht“, „Women’s Movements in Post-Communist Countries“ oder Tagebücher von Frauen in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts.


Nachlese:
Erstes Editorial, Heft 1/1990
10 Jahre L’Homme – revisited